radiotesla im juni - juli:
radiopoesie
hörspiel, feature, radiokunst aus vergangenheit, gegenwart und zukunft des mediums


1928 entwickelt karel teige in seinem poetismus eine auf die sinne bezogene neuklassifizierung der dichtung. neben poesien 'fürs sehen', 'fürs riechen', oder 'für den geschmack', schlägt er im rahmen der 'poesie fürs hören' untergattungen wie 'lärmmusik', 'jazz' und die 'radiogenie' vor, für die er auch die bezeichnungen 'radiotelephonie', 'radiogene poesie' oder 'radiopoesie' verwendet. teige versteht darunter eine kunst von tönen und geräuschen, die von der literatur ebenso weit entfernt ist wie von der musik. der poetismus erfindet eine neue radiogene poesie, deren auditorium der weltraum ist und deren publikum die internationalen massen sind. teige beschreibt radiopoesie als 'komposition von klang und geräusch, in der wirklichkeit aufgezeichnet, aber zu einer dichterischen synthese verwoben' wird. auch wenn etwa hans flesch in den anfangstagen des rundfunks in deutschland sehr wohl den anspruch formulierte, daß das hörspiel weder theaterstück, noch novelle, noch epos, noch lyrik sein sollte, muss doch konstatiert werden, dass in den hörspielredaktionen wie auch beim publikum bis zum anfang der 1960er jahre das literarische als das eigentliche hörspiel galt.

das neue hörspiel bietet kompositionen aus akustischen elementen verschiedenster art, die original oder technisch bearbeitet verwendet werden, und somit schon aufgrund ihrer entstehungsgeschichte nur noch bedingt mit der literaturgattung hörspiel in zusammenhang gebracht werden können.

entsprechend erklärt paul pörtner 1968 auf der 'internationalen hörspieltagung':
'wenn ich als autor; von der literatur herkommend, mich dem hörspiel zuwende, habe ich es nicht nur mit einem medium zu tun, das literatur vermitteln kann, sondern mit einer produktionsmöglichkeit von akustisch-poetischen spielen. ich vertausche den schreibtisch des autors mit dem sitz am mischpult des toningenieurs, meine neue syntax ist der schnitt, meine aufzeichnung wird über mikrophone, aufnahmegeräte, steuerungen, filter auf band vorgenommen, die montage macht aus vielen hundert partikeln das spielwerk.'

bis zur spielpause mitte juli widmet sich radiotesla an insgesamt sechs abenden unterschiedlichsten positionen zum umgang mit poesie im radio.


mi. 06. juni 2007 | 20:30 h

hörspiel

dylan thomas: under milk wood, bbc, 1954.
dylan thomas: unter dem milchwald, nwdr, 1954.

unterm llareggubberg und an der mündung des flusses dewi, zwischen meer und milchwald beschreibt dylan thomas 'die geschäftigkeit einer morgendlichen stadt, gesehen durch eine anzahl von augen, wahrgenommen durch zahllose stimmen, dann der endlos langweilige nachmittag, dann der vielgesichtige abend und dann wieder die schwerfällige stille der nacht.'
dieses 'spiel für stimmen' entstand als auftragsarbeit der bbc und wurde 1954 mit dem prix italia ausgezeichnet. die erste deutschsprachige produktion des hörspiels entstand im gleichen jahr und zählt zu den großartigsten stücken des hörspielrepertoires.
radio tesla spielt beide stücke gleichzeitig, wobei der besucher über einen schalter am kopfhörer entscheiden kann, welcher fassung er folgen möchte.

mi. 13. juni 2007 | 20:30 h

feature

andreas ammer: orbis auditus - das lautlexikon, br, 1990.

früher wurde den schulkindern das 'a' und das 'we(h)' eingetrichtert und eingeprügelt. mit spielerischen methoden hingegen legt uns der autor das erlernen seines lautlexikons ans herz. dazu wählt er die ablaufform des abc und überrascht seine hörer zwischen informativem aus der geschichte der lautdichtung immer wieder mit kabarettartigen einlagen und kuriosem: wem ist schon bekannt, dass goethe auch mit lauten spielte ('pirli, pirli, parli') oder dass sich der erste gedichtete beat, nämlich ein dreifaches 'koax', bei aristophanes finden läßt.

mi. 20. juni 2007 | 20:30 h

radiokunst

franz mon: das gras wies wächst, sr/br/wdr, 1969.

... wussten sie? wussten sie schon? wussten sie schon, dass? wussten sie schon, dass es keinen zweck hat?
wussten sie schon, dass einem junggesellen leichter die haare ausfallen als einem adoptivkaiser? fragen sie!
fragen sie den schaffner! fragen sie frau brigitte! fragen sie den ersten besten!

mi. 27. juni 2007 | 20:30 h

grenzen

shelley hirsch: for jerry ... in memory of childhood dancing, livemitschnitt aus der akademie der künste, sfb-orb / br, 1999.

welche wurzel einem 'bunt schillernden paradiesvogel des gesangs' [sfb-pr, 1999] die farben gab und wie es sich anhört, wenn sich die paradiesische zum flug erhebt, das thematisiert shelley hirsch in zwei produktionen, die sie zwei 'jerrys' widmete: jerry hunt [1943 -1993], dem pionier der interaktiven gesangsperformance und ihrem vater, der ihr ihre stimme auszubilden half. for jerry part I und II.

in anwesenheit von shelley hirsch.

mi. 04. juli 2007 | 20:30 h

hörspiel

hermann bohlen: gräser fliegen nur noch selten, swr, 2005.

in diesem retrofuturistischen hörspiel erzählt achim, wie er eines morgens aufbricht, um heimlich die stadt zu verlassen, in der ein schreckensregiment herrscht. angeführt von dem mann mit den roten hosen überwacht es die bewohner durch in den boden eingelassene kontrollfelder; die luft wird künstlich von den stadtwerken gemischt, belustigungen finden täglich auf dem großen platz statt. am stadtrand droht der kamm, ein gerät mit dem die wälder nach flüchtigen durchsucht werden.
im dialog mit den aus den 50er jahren stammenden hörspielkompositionen von karl sczuka wechselt achim abrupt richtung und tempo. obwohl selbst nicht der langsamste, wird er dabei oft vom orchester überholt. sczuka schlägt stimmungen vor, die nicht unbedingt auf achims irren-route liegen. die geigen brechen ein, bremsen ab und machen mit der perkussion kehrtmarsch, gräser fliegen nur noch selten.

in anwesenheit von hermann bohlen.

mi. 11. juli 2007 | 20:30 h

feature

andreas hagelüken: knowing is an uneducated form of doubt - lautpoesie und dekonstruktivismus - die vokalkünstlerin amanda stewart, wdr, 2004.

die auflösung der sprache und deren bedeutungszusammenhänge stehen im zentrum der lautpoesie der australischen autorin und performerin amanda stewart. ihre motivation und methode kann als literarischer dekonstruktivismus beschrieben werden, während sie als instrumentarium ihre stimmbänder und verschieden organisierte partituren parallel benutzt, um der individuellen erfahrung des sprechenden mit dem jeweilig gesprochenen auf die spur zu kommen.


radiotesla präsentiert ausgewählte sendungen, fragmente oder gedankensprünge aus vergangenheit, gegenwart und zukunft des radios. durch die einbindung dieser reihe in das regelmäßige programm des tesla im podewils'schen palais und vor dem hintergrund der tatsache, dass nikola tesla schließlich auch der erfinder des radios war, soll in erster linie ein forum geboten werden, dass zur auseinandersetzung mit den künstlerischen und kulturgeschichtlichen dimensionen und möglichkeiten des mediums einladen möchte. jeden monat gibt es ein thema, jeden mittwoch eine veranstaltung. wöchentlich wechseln die sparten: auf hörspiel folgen feature, radiokunst und grenzen. jeder fünfte mittwoch im monat bietet einen bonus track.

radiotesla

ein projekt des tesla im podewils'schen palais, berlin
realisierung: martina groß, andreas hagelüken, séamus o'donnell, moritz von rappard und johannes wilms.

mit freundlicher unterstützung von deutschlandfunk/deutschlandradio kultur und dem deutschen rundfunkarchiv und in zusammenarbeit mit der featureabteilung des kulturradio von rbb.

der eintritt zu allen veranstaltungen ist frei.

begrenzte platzkapazität.

telefonische anmeldung: 030. 247 49. 777
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