medea werden

ensemble leitundlause
ich werde medea
musiktheater nach 'je deviendrai médee'
komposition für eine solostimme von jaques demièrre
mezzosopran: uta buchheister
darstellerinnen: franziska dietrich, bärbel schwarz, mariel supka

konzept und regie: matthias rebstock
ton und video: cathy van eck, daniel plewe
raum und kostüme: sabine hilscher
dramaturgische beratung: henning fülle
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fr. 31. märz 2006 und sa. 01. april 2006 -- 20:30 h -- kubus

die gestalt der medea im antiken griechischen mythos steht für die fremde, die zauberin, die ihren gefühlen folgt und dabei schließlich so weit fort getragen wird, dass sie aus rache an dem untreuen geliebten mann die gemeinsamen kinder [wie auch die nebenbuhlerin] auf das grausamste ums leben bringt. jacques demierre, schweizer komponist [geb. 1954] rückt den mythos in eine zeit -- und ortlose gegenwart. sein klagegesang in sechs sätzen für mezzosopran solo [entstanden 1986, in der uraufführung gesungen von magali schwartz] lässt eine frau zu worte kommen, die an der schwelle steht, aus tiefster verletzung als opfer von verrat und demütigung zur täterin grausamster rache zu werden: je deviendrai médée -- ich werde medea werden.

der firnis der abendländisch-christlichen zivilisiertheit ist dünn, die schützende reichweite ihrer tabus begrenzt und gefährdet -- das wissen wir -- oder glauben zumindest, es zu wissen; hilflos stehen wir aber vor der wiederkehr der gewaltsam ausgetragenen kulturellen differenz, des fundamental-religiösen terrorismus und der rache, für die neben dem 11. september die aktionen gegen die unschuldigen besucher des musical-theaters und eines rock-konzertes in moskau, die kinder und ihre lehrer in beslan und die ungezählten opfer von selbstmordanschlägen in den krisengebieten des nahen, mittleren und fernen ostens stehen.

in ihnen scheint der dreitausend jahre alte mythos des von verrat und demütigung ausgelösten rachebedürfnisses wieder auf, das durch die maßlose opferung, sei es fremden 'unschuldigen' lebens, sei es des 'eigen fleisch und blut', seine höchste verwirklichung - befriedigung? - findet.

matthias rebstock und das ensemble leitundlause stellen die vokalkomposition demierres von 1986 in diesen zusammenhang: die frauenstimme trägt die originalkomposition vor, deren französischer und italienischer text den übersprung von schmerz in grausame rache umkreist. ort der inszenierung ist eine von lautsprechern bevölkerte bühne, aus denen der nachhall von zerfalls- und zersetzungsprozessen zivilisatorischer ordnung hörbar wird: geräusche des berstens, zerbrechens, zerquetschens, aber auch texte, die von solchem geschehen berichten, in dem menschen menschen vernichten. mit diesen materialien - der 'hardware' wie auch den schallwellen, die sie verbreiten - arbeiten die drei darstellerinnen, die damit der aktualität der mythischen figur reale künstlerische präsenz verleihen.

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