"warum wir ohne bilder nicht mehr hören wollen"
konzertgesprächsreihe der bgnm

3/4 -- 04.10.2005

generativität: zugzwang -- lyder


mit der konzertgesprächsreihe ,,videokonzerte'' reagiert die berliner gesellschaft für neue musik (bgnm) auf ein phänomen zeitgenössischer musikpraxis und fragt nach, warum wir ohne bilder nicht mehr hören wollen.

der dritte teil der reihe stellt das phänomen der ,,generativität'' in den mittelpunkt: was passiert, wenn bild und ton durch eigentätigkeit der digitalen medien entstehen? wo beginnt kontrolle und wo kontrollverlust? was ist hier abbildung? und ist, was wir hören und sehen nur wahrscheinlich, oder auch notwendig?


konzert

zugzwang -- zweckfreie übungen im wiederholungsraum für eine tänzerin und computer.
komposition, programmierung und live-elektronik: michael iber, choreographie und tanz: canan erek
lyder -- ein regenbogen, der, minder grell, als die sonne, strahlt in gedämpftem licht, spannte sich über das bild.
komposition und live-elektronik: kristen_, mzweig


anschl. diskussion mit kristen_, mzweig, michael iber und canan erek, jin hyun kim (köln), moderation: johannes wilms


in "zugzwang" agiert eine tänzerin mit klängen, die ausschließlich durch berechnung erzeugt werden. so genanntes physical modeling simuliert physikalische eigenschaften realer instrumente, wie z.b. die länge und stärke einer saite.

"klanglich interessant wird dieses verfahren, sobald es den auf echten instrumenten realisierbaren rahmen sprengt, wenn z.b. die rohrlänge einer trompete mehrere meter erreicht oder wenn die eigenschaften einer querflöte mit denen einer e-gitarre gekreuzt werden.

gesteuert wird dieses computer-orchester durch ein motion tracking der tänzerin. dabei wird weniger eine 1:1 übersetzung der tänzerischen bewegung in die musikalische ebene angestrebt, als vielmehr die erkennung von bewegungsabläufen, auf die das musikprogramm auf die ein oder andere weise mit einer vorgegebenen wahrscheinlichkeitsverteilung reagieren kann.
zugzwang-1_w200.jpg kompositorisch kommen zwei von john cage entwickelte verfahren zum tragen: da ist einerseits das kontinuierliche nebeneinander scheinbar unabhängiger klangquellen wie die radiogeräte in imaginery landscape no. 4, das sich heute in extremer form in den changierenden klangbildern der noise music wiederfindet. zum anderen ist es das prinzip des terminierten zufalls, ein spiel zwischen regel und freiheit, wie cage es mit seinen amöbenartigen schablonen beispielsweise in cartridge music realisiert hat."
(michael iber).




in "lyder - ein regenbogen, der, minder grell, als die sonne, strahlt in gedämpften licht, spannte sich ueber das bild" kommt neben max/msp, ableton live und reaktor mit jitter eine software zum einsatz, die erlaubt, vorproduzierte filme einander beeinflussen zu lassen. im spiel von licht und schatten mit ungemein präzis reduziertem filmmaterial werden visuelle signalketten generiert, die in den momenten von überlagerung und übersteuerung, von kontrolle und kontrollverlust ein musikalisches äquivalent finden. licht, motiv und schatten in den bildern auf großer leinwand verbinden sich mit klang, motiv und reflexion in der musik, die so abstrakt klingt wie wolkenbänder und so konkret wie etwa äderungen fallenden laubs.
"lyder" interessiert dabei, mit der komplexität der so erzielten ästhetischen anordnung, mit einer dialektik des eingriffs und des lassens, gleichermaßen zu arbeiten. lyder-2_5_w200.jpg


zu programm> kubus