klanggärten


Die Kulturgeschichte des Gartens reicht bis in das 4. Jahrtausend vor Christus zurück. Von Anbeginn war er Spiegel menschlichen Tuns und Schaffens. Als existenzielle Grundlage bewirtschaftet oder zu repräsentativen Zwecken angelegt, verlangt der Garten große Aufmerksamkeit. Das Studium der Natur, deren Nutzung und Veränderung stehen hier im Mittelpunkt. Der Garten ist immer eine gestaltete, künstliche Natur. Diese künstliche, von Menschen Hand "vervollkommnete" Natur, wurde spätestens seit der Renaissance zum Ideal erhoben, parallel zu einer rasanten Entwicklung neuer Technologien und dem Kanon entbundener Wissenschaft. Die Gartenerbauer waren oft "Universalgenies": Botaniker, Architekten, Bildhauer, Ingenieure, Mechaniker, Hydrauliker, Archäologen, Restauratoren, Geologen, Antiquare, Sammler, Wissenschaftler und Autoren. Zudem öffneten sie geistig ihren Blick für die Welt, für Historie und Gegenwart, für Fremdes und Heimisches. Der Garten stellte -- nicht nur in Europa, auch in anderen Kulturen -- einen "Kosmos" dar, verband überliefertes Wissen mit neuen Erkenntnissen. Der Besucher des Gartens hatte durch eine ausgefeilte "Dramaturgie" teil daran, dies ermöglichte Integration und bot den besten Erholungseffekt. Über die Jahrhunderte von der Natur entfremdet, die Gartenkultur weitgehend aufgegeben, flüchten heute die Stadtbewohner ins "Grüne". Aber was ist das "Grüne" und wovor flüchten sie? Ein "zurück zur Natur" gibt es nicht. Die von uns erschaffene "künstliche" Natur ist nunmehr als eigene zu begreifen. Der Mensch, so könnte man sagen, wird sein eigener Lehrmeister. Kraft all seiner Sinne, seiner wissenschaftlichen und technologischen Errungenschaften, wäre er im Stande, auch im städtischen Gebiet, seinen "optimalen" Lebensraum zu schaffen und die Trennung von Mensch, "Natur" und Technik sinnvoll aufzuheben bzw. ihr Verhältnis zueinander zurechtzurücken. Die Gestaltung und Umgestaltung der Stadtlandschaft, öffentlicher Räume, Höfe, Parkanlagen und Gärten in diesem Sinne ist jedoch sowohl auf eine Sensibilität gegenüber dem eigenen und dem gesellschaftlichen Befinden und den entsprechenden Bedürfnissen angewiesen wie auch auf politische Unterstützung.

Für unsere Lebensqualität von entscheidender Bedeutung ist unser akustisches Umfeld. Bis heute wird dieses von Städteplanern und Architekten weitgehend ignoriert, obgleich unsere Orientierung, die Erfahrung von Raum und Zeit, wesentlich über die Ohren erfolgt. Wie eine visuelle Gestaltung wäre auch eine akustische Strukturierung nötig.

Unter den wenigen interdiszipinären Projekten, die sich dieser Problematik künstlerisch wie wissenschaftlich widmen, zählen der "Giardino Sonoro La Limonaia dell'Imperialino" und das "Sonic Garden Lab" zweiffellos zu den bedeutendsten. An der Entwicklung der "Klanggärten" beteiligt sind Künstler, Musiker, Botaniker, Architekten, Landschaftsplaner, Informatiker, Ingenieure... Sinnespsychologie und Technologie sind Grundlagen ihres laborativen Arbeitens. Mit einem "klangökologischen" Ansatz, lernend und lehrend über unsere akustische Umwelt und deren Zusammenhänge, schaffen sie sinnliche Erlebnis- und Erkenntnisräume. Lorenzo Brusci wird das Projekt vorstellen. In einem gemeinsamen Gespräch mit Andres Bosshard und Alberto de Campo werden die ästhetischen und technischen Ansätze erläutert und diskutiert.

Das offene und in Entwicklung begriffene Projekt der "Klanggärten" war inzwischen an verschiedenen Orten zu Gast. Im Sommer 2005, geöffnet vom 2. bis zum 17. Juli, wird gemeinsam mit dem tesla unter der Leitung von Andres Bosshard ein Klanggarten im Hof des Podewils'schen Palais in Berlin angelegt. Das Salongespräch gibt eine Vorschau.

Melanie Uerlings
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