deutsch für ausländer

vielspur-stimmkomposition von uwe mengel

sound: matthias kirschke

foto: barbara metselaar-berthold
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sa. 11. nov. 2006 | 20:30 h

'und was taten sie dann?'

'wie waren die sanitären einrichtungen?'

deutsch für ausländer verhandelt das grauen von auschwitz jenseits des betroffenheitspathos. die vielspurkomposition stellt fragen zu der vernichtungsmaschine in den raum. die artikulation dieser fragen zielt auf die aussprache und nicht auf den inhalt der erkundigungen.

'wussten sie was die bezeichnung sonderbehandlung bedeutete?'

'wann traten sie den urlaub an?'

textliche grundlage bildete peter weiß drama zum auschwitzprozess: die ermittlung. diesem text entnahm uwe mengel nach dem zufallsprinzip fragen der richter, staatsanwälte und verteidiger, die je einzeln im studio aufgezeichnet wurden. sprecher sind in berlin lebende ausländer, die kaum deutsch reden und keine erfahrung in den darstellenden künsten haben. sie stammen aus schweden, italien, chile, baskenland, rußland, neuseeland, usa, mali, polen, japan, indien, lettland, spanien, frankreich und bulgarien. eine andere gruppe von sprechern sind 12-jährige schüler, die noch keine intensive auseinandersetzung mit dem thema faschismus geführt haben.

'was hörten sie da?'

'was war das für ein spezialschlag?'

aus den aufnahmen gestaltet uwe mengel eine räumliche komposition, deren ziel die nichtinterpretation ist. deutsch für ausländer macht das angebot, sich nur auf die fragen zum faschistischen höllentanz zu konzentrieren und keine antworten zu erwarten.

'erfuhren sie nichts über die verhältnisse im lager?'

'brach nie panik aus zwischen den vielen menschen?'

uwe mengels arbeitsweise wird in bezug auf seine interaktiven performances von hans-thies lehmann in postdramatisches theater so beschrieben:

'hier bekommt jeder zuschauer nur das theater, das er sich durch eigene aktivität und kommunikationsbereitschaft selbst 'verdient'. [...] wenn man eine solche zwischen 'theater', performance, bildender kunst, tanz und musik gelegene praxis nicht mehr als theater bezeichnen will, so brauchen wir nicht zu zögern, brechts seinerzeitige auskunft zu übernehmen, der sich ironisch bereit fand, wenn man seine neuen formen nicht mehr theater zu nennen wünschte, sie doch einfach 'thaeter' zu nennen.'
[hans-thies lehmann]

uwe mengel:

geboren am 15.3.1945 in bergen/rügen. studium an der friedrich schiller universität jena. 1974 flucht nach westberlin. studium an der freien universität, berlin und am max reinhardt seminar, wien. magister artium der theaterwissenschaft, theologie und philosophie. lebt und arbeitet in berlin und new york.

mengel arbeitet als autor und regisseur für interaktive und medienübergreifende projekte. erste arbeiten entstanden in der ddr, darunter die performance 'verein zur verbreitung des erdflachheitsgedankens und zur bekämpfung des absurden erdrundheitsgedankens' [verbot nach der ersten aufführung]. in den 1980er jahren entwickelte er ein modell für proben und präsentation interaktiver performances. erstmalig eingesetzt bei woman in the window [new york, 1984], wird diese form stadtspezifisch für andere projekte verändert, unter anderem für 2 1/2 millionen [berlin, 1996], ground zero [texas, 1999] und lifeline [melbourne, 2002]. seit 1991 auch zahlreiche arbeiten als autor und regisseur von hörspielen für hessischer rundfunk, radio bremen, norddeutscher rundfunk, westdeutscher rundfunk und sender freies berlin.

www.umengel.com